Das Ende einer alten Karriere

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Das Ende einer alten Karriere

#1

Beitragvon Vox Falconis » Di 20. Feb 2024, 21:57

[Für diesen RP gibt es zwei Versionen: Entweder als voll formatierter und schöner PDF, der als Vorschau in Google Drive angezeigt wird, oder als minimal formatierter Hard Copy für Überflieger und Sicherheitsbewussten.]

Das Ende einer alten Karriere (Google Drive PDF)

=== HARD COPY ===


30. November 2022
Hauptbüro “Nibelungen Hausbau GmbH” in Erfurt
16:48

Ich starre auf dem Computerbildschirm, aber die Zahlen, Buchstaben und Symbole verschwimmen zu einem sinnlosen Brei aus Rot, Schwarz und Weiß. Meine Gedanken kreisen wie wild umher in meinem Kopf und ich nehme die Umgebung meines Büros gar nicht wahr, in dem ich schon mehr als etwa ein Jahrzehnt gearbeitet habe.

Ihr kennt diesen Tausend-Meilen-Blick.

Und diesen Blick habe ich gerade; Cillian Murphy wäre stolz drauf. Ich scheine geradezu durch den Monitor zu blicken auf die Wand dahinter.

Und dennoch brauche ich den Blick nicht zu fokussieren, denn mein Gehirn weiß natürlich längst, was auf dem Monitor steht. Die Prognose über die Geschäftszahlen für das nächste Jahr. Inzwischen kenne ich sie in- und auswendig und könnte im Schlaf die Zahlen rauf- und runterbeten.

Das alles ändert nichts an der harten Wahrheit. Die Wahrheit, dass meine Karriere endgültig vorbei ist.

Ein Jahrzehnt erfolgreicher Unternehmer und Geschäftsführer von “Nibelungen Hausbau GmbH”. Eine kleine, aber feste Größe im Hausbausektor. 25 glückliche und motivierte Mitarbeiter.

Heute aber ist der letzte Tag meines Geschäfts, das ich mit Schweiß, Stress, schlaflosen Nächten, zusammengebissenen Zähne und einer beachtlichen Zahl von Flüchen aufgebaut habe.

Und nun? Die weltbewegende Ereignisse in vergangen Jahren haben sein Unternehmen unweigerlich zum Fall gebracht: Vorbei!

Das stete Ticken einer Wanduhr holt mich aus dem Strudel der Tagträumerei und ich binzele mich zurück in die Realität und drücke mit einem Seufzer auf den “Ausschalten”-Button.

Der Computer fährt herunter und lässt mich mit einer erdrückenden Stille und den unwiederbringlichen Ticken der Wanduhr zurück. Ich richte mich vom Bürostuhl auf und blicke nach links durch ein Fenster. Das Wetter passt perfekt zu meiner Stimmung. Ein typisches Novemberwetter: kalt, nass und windig.

Ich streiche meine Stoffweste glatt und ziehe die Ärmel meines Hemdes zurecht, bevor ich den Langmantel vom Haken an einer Wand abnehme und umlege. Zu guter Letzt entnehme ich mein schwarzer Fedora vom anderen Haken, setze ihn aber noch nicht auf. An der Tür, die aus dem Büro hinausführt, drehe ich mich um und blicke auf den Schreibtisch, der frei von Dokumenten und persönlichen Gegenständen ist.

Es erinnert mich irgendwie an ein Mausoleum. Oder irgend so eine altertümliche Ruhestätte.

Dann wende ich mich ab und schließe die Tür hinter mir ab. Mit langsamen Schritten laufe ich den Flur entlang, links und rechts sind Glaswände, die auf Büros für zwei oder viier Mitarbeiter offenbaren. Natürlich sind sämtliche Büros bis auf die standardmäßige Ausstattung leer. Nichtsdestotrotz brauche ich gar nicht nachzuschauen, wer wo sitzt, wenn die treuen Angestellten noch arbeiten würden. Zum Beispiel im zweiten Büro links, da sitzen Karolin und Jan, und ich weiß, dass Karo immer um zwei Uhr nachmittags Feierabend macht, damit sie ihr Kind vom Kindergarten abholen kann. Oder Christian, der im dritten Büro rechts sitzt und immer mit Conny und Kerstin tratscht und ich ab und zu ihn mal darauf hinweisen muss. Doch die Büros sind heute leer und dunkel.

Nachdem ich die ganzen Büros überquert habe, halte ich bei einem kleinen Büroraum, der ganz ähnlich gestaltet wie meiner ist und nur für eine Person bestimmt ist. Und diese Person ist tatsächlich noch da.

“Meister Völlich… es ist Zeit.”

Sage ich mit einem traurigen Lächeln zu ihm, meinem treuesten und ältesten Mitarbeiter. Meister Wöllich, eigentlich Robert Wöllich, aber jeder, einschließlich ich nennt ihn nur Meister Wöllich oder kurz Meister und er ist das genaue Gegenteil von mir als Geschäftsmann. Er trägt stets eine blaue Arbeitslatzhose, wobei sein Bauch ordentlich wölbt und darunter ein schwarzes T-Shirt mit unserem Logo drauf. Oft, und jetzt, trägt er dabei eine zerknautschte Mütze.

Meister Wöllich - ‘N Scheißtag ist das heute, Boss.”

Murmelt er unter seinem Walrossbart und schließt seine geliebte Werkzeugkiste, die auf seinem Schreibtisch steht, mit einem demonstrativen Knacken. Ich muss unwillkürlich grinsen. Meister Wöllich ist das Herz und die Seele des Unternehmens. Er motiviert die Mitarbeiter, bringt sie zum Lachen oder tröstet niedergeschlagene Freunde. Und er ist immer zur Stelle, wenn’s irgendwo brennt. Gibt es auf einer Baustelle ein Riesenproblem, dann rückt er die Mütze zurecht, klopft auf die Werkzeugkiste und rümpft, bevor er dorthin fährt und die Sache behebt. “Jedes Problem ist lösbar - auf eine oder andere Weise.”, ist sein Lebensmotto. Er ist von Anfang an dabei gewesen und hat mit mir zusammen geflucht, geschwitzt und geschimpft, als wir die Firma aufgezogen haben. Ein Jahrzehnt Meister Wöllich, ein Jahrzehnt Erfolg, anders kann man einfach nicht sagen.

“Wem sagst du das. Komm schon.”

Ich halte ihm die Tür auf und sein stampfender Gang erinnert mich ein wenig an einen Walross. Einen Teufel werde ich tun, den Vergleich laut vor ihm zu ziehen. Ich schließe die Tür hinter ihm, und wir setzen gemeinsam den Gang fort. Ich schaue seitlich zu ihm hinüber, der um einen Kopf kleiner, aber um einen Mann breiter als ich ist.

Meister Wöllich - “Und nu’? Kommste nochmal hierher?”

Ich schüttle den Kopf.

“Nicht als Geschäftsführer, nein. Vielleicht komme ich nochmal hier, um das Bürohaus leerräumen oder verkaufen zu lassen.”

Meister Wöllich - “Ne Schande isses, wennste mich fragst, Boss. Wir haben doch ‘ne feine Firma aufgebaut und die Kunden liebten uns. Dann so ‘nen Abgang?! Das tut weh.”

Ich seufze und klopfe ihm auf den Rücken, als wir den Haupteingang erreichen. Ich fühle das genauso.

“Ich habe mir auch was anderes gewünscht, aber das ist nun mal leider die harte Realität, so sehr ich es hasse. Aber hey, Meister, wenigstens bist du jetzt schon in Ruhestand.”

Doch Wöllich schnaubt nur und zuckt dann die Achseln, während er seine Mütze zurechtrückt. Ich setze unterdessen meine Fedora auf.

Meister Wöllich - “Und was isses mit dir, Boss? Was machste jetz’ ohne deine Firma?”

Ich blase kurz die Wangen auf und hebe ratlos die Schultern, während ich das Plätschern der Regentropfen beobachte. Mein Kopf fühlt sich bei diesem Thema total leer an. Das Hirn ist gerade außer Haus.

“Weiß der Teufel, was ich als Nächstes mache. Nochmal Unternehmer zu sein, das schaffe ich nicht. Vielleicht was komplett anderes. Ich habe echt keine Ahnung, aber Meister, mir fällt schon was ein.”

Dann lächle ich zu meinem treuen Freund und strecke ihm die Hand vor.

“Dann heißt es wohl offiziell Abschied nehmen, Meister Wöllich.”

Meister Wöllich - “Nur offiziell, Boss. Du wirst für mich immer der Boss sein, selbst wenn ich uralt und senil bin. Und ich lade dich heute Abend zum Bierchen ein, da können wir über deine Zukunft quasseln. Hab’ eh jetz’ Zeit, was?”

Seine Pranke umschließt meine Hand fest und schüttelt ordentlich durch. Ich muss einfach grinsen.

“Da kann ich nicht nein sagen. Grüß deine Frau von mir, wir sehen uns dann.”

Er murmelt was unter seinem Bart, dann nickt er, während wir unsere Wege trennen. Ich trete hinaus in den Regen.

Ein Scheißtag ist das.
"I should go."
- Commander Shepard

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