Ach ich war zu lange Weg vom Forum und finde nun genau mein Thema
Aaalso...wo fang ich an. Die wenigsten hier kennen mich, deswegen erstmal kurz zu mir: Ich bin ein Ultra, auch wenn ich die Arbeit, die in dieser Subkultur betrieben wird sehr schätze und im Rahmen meiner Möglichkeiten auch unterstütze.
Zum eigentlichen Thema...RB:
Ich versuche es mal halbwegs zu sortieren und eure Sichtweisen (die ich großteils auch sowohl verstehe als auch akzeptiere) mit zu verarbeiten.
Ich sehe das Produkt RB Leipzig sehr kritisch, weil RB in seiner Form die Entwicklungen die von Vereinen wie Leverkusen, Wolfsburg und später dann auch Hoffenheim so extrem auf die Spitze treibt.
Leverkusen und Wolfsburg sind aus Betriebssportgruppen hervorgegangen und bilden in diesem Kreis doch schon Ausnahmen, zumindest von ihrer Ursprungsform. Hoffenheim war für mich auch von Anfang an ein Reizthema, ist mir aber doch um einiges lieber, als dieses reine Kunstprodukt in Leipzig. Dass Leipzig sich sportlich für die Liga qualifiziert hat ist unstrittig. Doch die Art und Weise wie der Verein dort hingekommen ist, ist für mich persönlich falsch bzw. kann ich diesen Weg nicht unterstützen.
Und das hat nichts mit Leipzig als Stadt zu tun. Natürlich fällt der RedBull-Keim hier auf sehr fruchtbaren Boden, da diese Region fußballtechnisch am Boden ist. Doch warum sponsort man dann nicht zum Beispiel Sachsen Leipzig, die zu der Zeit der Gründung durchaus auf dem Weg in den bezahlten Fußball waren. Warum muss es ein eigener Verein unter eigener Flagge sein?
Ich fang einfach mal bei der Entstehung an. Hopp hat Hoffenheim aus der Kreisliga hochfinanziert. Red Bull sucht sich einen Verein, der sich seine Spiellizenz abkaufen lässt (Warum sowas möglich ist, ist mir ehrlich gesagt zu hoch) und startet gleich mal in der 5. Liga - auch nachdem man bei Chemie Leipzig / Sachsen Leipzig auf erbitterten Fanwiderstand gestoßen und an den Statuten gescheitert ist. Getrickst wird überall, wenn man so eine Abkürzung findet, wäre man natürlich auch dumm, die nicht zu nehmen.
Das Logo, das bekanntlich keine Ähnlichkeit zum Sponsor haben darf. Genau wie ja der Vereinsname anders als z.B. in Österreich oder den USA nicht mit einem Geldgeber verknüpft werden darf. Also wird aus Red Bull RasenBallsport und aus dem Logo wird das zentrale Erkennungsmerkmal entfernt: die gelbe Sonne! Ehrlich DFB? Der Verein schwitzt die rote Brause aus, wirbt überall damit und soll über das eigene Image möglichst viele Produkte verkaufen. Das Zeug heißt Red Bull und man lässt die Red Bulls im Logo zu? Das war der erste richtige Protestgrund bei den aktiven Gruppen und der ist mehr als nachvollziehbar, wenn der Verband sich zugunsten eines finanzstarken Geldgebers nicht an seine Statuten hält.
Oben wurde erwähnt, was der Verein tut, obwohl er kein klassischer Verein ist. Warum ist er das nicht? Warum kostet Mitspracherecht bei diesem Verein mehr als die Dauerkarten von meiner Frau und mir zusammen? Natürlich weiß ich warum, weil man sich nicht reinreden lassen will, schon allein diese Struktur ist für mich ein Grund weiterer Grund diesen "Verein" abzulehnen.
Die hochgelobte Nachwuchsarbeit. Welcher Profiverein, von den Bayern mal abgesehen, kann denn schon mal 3-stellige Millionenbeträge stemmen für den Nachwuchs und Trainingsinfrastruktur. Das ist ein großes Plus, dass man durch Red Bull hat. Dazu kommt ein von vielen Vereinen stark kritisiertes agressives Abwerbungsverhalten von RB, gerade gegenüber von Jugendlichen. Und nicht nur im A-und B-Jugendbereich. Dass da nicht immer nur sportliche Gründe ausschlaggebend sind unterstelle ich jetzt einfach mal. Nach dem Abmelden der U23 hat man auch keine Mannschaft mehr, wo Jugenspieler evtl. noch Erfahrungen sammeln können. Also entweder packst du den Sprung von der A-Jugend zu den Profis oder halt nicht. Dazwischen ist nichts mehr. Hast du das Potenzial zum Profi wirst du vielleicht ausgeliehen. Dann kannst du aber auch erstmal bei deinem Buli-Verein bleiben. Aber das ist halt nur meine Meinung.
Was mich in der Vergangenheit noch massiv gestört hat: Die fehlende Unabhängigkeit des Vereins bzw. das Zusammenarbeiten der Klubs unter RedBull-Flagge für eigene Vorteile. Und ja, wegen des Financial Fairplay wurden diese Verbindungen - gerade nach Salzburg - zumindest offiziell gekappt. Ist Rangnick eigentlich noch für sämtliche RedBull-Teams verantwortlich oder wurde das in diesem Zuge auch beendet? Bestes Beispiel war ein Wechsel aus Salzburg nach Leipzig, wo man nach außen kommunizierte (wie bescheuert muss man denn sein?), dass man noch später über die Ablösesumme sprechen werde. Wie kann man so das Bild von 2 eigenständigen Vereinen aufrecht erhalten? Mal davon abgesehen, dass erstaunlich viele Spieler von Salzburg nach Sachsen gewandert sind zu Ablösesummen, die weit entfernt vom üblichen Marktwert waren. Erstaunlich, wo die beiden doch zu der Zeit ziemlich eng verbandelt waren. Oder Salzburg brauchte die Einnahmen, wegen des Financial Fairplays, da die Österreicher ja doch regelmäßig in der Europa League waren. Ein weiterer Fall der mir sehr gut im Gedächtnis geblieben ist (mal davon abgesehen, dass ich mir die Namen der Spieler nie merke^^): Ein Spieler hatte bei einem Konkurrenten von Salzburg eine recht hohe Ausstiegsklausel für Wechsel innerhalb des Landes. Was macht man also, wenn Salzburg den Spieler aber haben möchte? Richtig, Leipzig holt den billig und verleiht ihn direkt weiter nach Salzburg. Dem Fan, der sich mit sowas nicht so auseinandersetzt mag das egal sein. Mir gefallen solche Verbandelungen nicht und ich hätte es durchaus begrüßt, wenn man seitens der UEFA dort auch mal ein Zeichen gesetzt hätte. Aber da sind die Verbände leider ähnlich gestrickt. Auf dem monetären Auge ist man blind (vergleichbar mit PSG und dem Neymar-Deal #financialfairplay?).
Einige Kritikpunkte zumindest.
Dann möchte ich hoffentlich kürzer auf eure Punkte bzgl. Fans/Ultras etc. eingehen.
Kommerzialisierung:
Natürlich wissen die meisten Fans und Ultras, dass es ohne Kommerz natürllich nicht geht. Allerdings bedeutet das nicht, dass man diese Schraube bis zur Unendlichkeit drehen kann. Irgendwann ist auch der Normalo-Fan übersättigt. Irgendwann gibt es nur noch Produkte wie RB Leipzig, womit 50+1 dann endgültig hinfällig ist und wir dann tatsächlich britische Verhältnisse haben könnten. Oder zumindest ähnliche. Was dann auch bedeuten würde, dass der normalsterbliche Fan dann vielleicht nur noch 1-2 Mal pro Saison ins Stadion gehen kann, weil er sich mehr nicht leisten kann. Mal davon abgesehen, dass man heute als Familie auch schon ganz schön viel bezahlen muss. Dass man diese Entwicklung für einen Sport der mal für die Arbeiterklasse war nicht bedingungslos unterstützt, sollte zumindest nachvollziehbar sein.
Und es gibt durchaus auch Proteste gegen den eigenen Verein bei Kommerz- und Image-Themen (Investoren, Wiesenhof bei Bremen, Trikotfarben etc), man zeigt eben nicht immer nur auf andere.
Diese Menschen lieben ihren Verein nicht nur, sie leben ihn. Er ist ihre Passion. Jedes Spiel, egal wie und wo. Da geht schon einiges an Geld und Urlaub drauf. Jetzt kommen noch Montagsspiele dazu (auch wenn die bisher begrenzt sind), was nochmal mehr Urlaubseinsatz und Planung (wegen der späten Terminierungen) erfordern kann. Dieser Personenkreis und sie sind es halt auch nicht allein, sehen eine Entwicklung, von der sie finden, dass man sie kritisieren kann und muss. Denn sie machen sich Gedanken um ihren Verein und die Entwicklungen im Fußball. Denen ist ein Neymar oder Ronaldo egal. Niemand ist größer als der Verein. Die sind da auch wenn der eigene Verein in der Sch... steckt. Dass einem "normalen" Fan solche Dinge eher nicht bewegen, macht solche Kritik aber nicht gleich sinnlos oder weltfremd. Jeder kann für die Dinge kämpfen, die er für wertvoll erachtet.
Und natürlich hat Leipzig mit diesem Thema nicht angefangen oder ist schuld daran. Aber die Entstehung und das ganze drumrum (von agressiven Ordnern im Gästebereich mal ganz abgesehen) kanalisieren dieses Thema auf diesen Verein. Leipzig lebt diese Entwicklung extrem und "bedroht" damit das, was für diese Menschen wertvoll ist.
Und damit kommen wir zum Thema Gewalt:
Grundsätzlich geht Gewalt und Gewaltandrohung gar nicht. Wenn sich Hools auf ner Wiese untereinander kloppen wollen, von mir aus. Wenn sich Ultras gegenseitig (und ausschließlich gegenseitig) Tifo abnehmen und das dann in ihren Kurven präsentieren, von mir aus. Aber der gewöhnliche Stadionbesucher darf davon nicht betroffen sein und leider gibt es überall Idioten, die sich über solche Aktionen gegen Casuals/Schalträger profilieren müssen.
Was ich allerdings gar nicht unterschreiben kann, ist dieser ganze "im Stadion herrscht nur noch Gewalt"-Quatsch, den Personen in die Welt setzen, die vielleicht einmal im Jahr ins Stadion gehen. Ohne Zahlen zu haben, behaupte ich mal, dass es heute in und um den Stadien herum sicherer ist als in den 80er und 90er Jahren. Oder zumindest gleich sicher. Nur weil heute überall Kameras sind und über jeden Scheiß überall berichtet wird, macht das einen wesentlich anderen Eindruck. Flaschenwürfe auf Züge, gab es schon wesentlich früher. Abgefackelte Zugwaggons und solche Scherze.
Dazu kommt, dass die Kurven früher nahezu rechtsfreier Raum war, was natürlich nicht nur positive Seiten hat. Heutzutage reicht es, wenn du neben einem stehst, der Pyro zündet, n Aufkleber klebt oder Zeuge einer Prügelei wirst um ein mehrjähriges Stadionverbot zu bekommen. Kritik wird gerade auch bei einem Verein wie Leipzig gern unterdrückt, auch bei Gästefans. Auf Worte wird nicht reagiert, die Fans fühlen sich zu recht nicht ernstgenommen und einige fühlen sich bestimmt auch in eine Ecke gedrängt. Dir werden, nur weil du zum Fußball willst, Grundrechte wie die Reisefreiheit genommen. Du wirst teilweise wie ein Schwerverbrecher behandelt (und ja, es sind natürlich nicht alle Fans unschuldige Lämmer) und in diese Mischung kommt dann ein Produkt auf, das für diese ganze Entwicklung steht wie nichts anderes. Es gibt überall diejenigen die Konflikte mit Worten lösen wollen und die, die in ihrem Gefühl von Ohnmacht zu Gewalt neigen, was diese aber natürlich in keiner Form entschuldigt.
Dann noch zu Kevin: Es gibt durchaus noch Vereinstreue, auch wenn die heutzutage ein unglaublich seltenes gut ist. Gerade bei uns möchte ich da Fabian Lustenberger hervorheben, der seit 2007 bei uns spielt und natürlich Pal Dardai, der als Spieler schon einen Vertrag bei den Bayern ausgeschlagen hat um bei uns zu bleiben. Aber im Grunde gebe ich dir da recht, die Verlockung des Geldes ist in den meisten Fälle enorm.
Was mich aber bei meinem Vorvorredner stört: Seit wann gibst du beim Kauf der Eintrittskarte und mit betreten des Stadions das Recht auf, deine eigene Meinung kundzutun? Das klingt wie bei Martin Kind. Die Fans sollen ins Stadion kommen, aber doch bitte die Klappe halten und für Stimmung sorgen. Wir sind "nur" Zuschauer? "Nur" Fans? Wir sind DIE Fans und DIE Zuschauer, mit denen die Liga bzw die Verbände für ihr großes Premium-Produkt werben. WIR sind das Alleinstellungsmerkmal der Liga und sind der Liga gleichzeitig vollkommen egal, sofern doch bitte alles friedlich bleibt. Und wenn irgendwo was passiert, fragt man nicht warum, sondern haut einfach auf alles, was man erwischen kann.
Natürlich sind Ultras nicht DIE Fans, das sind alle Stadiongänger. Ohne die Ultras, die sicherlich in vielen Punkten sehr unbequem sind, wäre es in den Stadion weder so bunt und vielfältig, noch so (weitestgehend) laut, was die 12:12-Proteste damals deutlich gezeigt haben. Insgesamt - und damit komme ich fast zum Schlusswort - finde ich die Berichterstattung über die aktiven Gruppen viel zu negativ da a) alles was im Stadion passiert wie z.B. Pyro etc grundsätzlich erstmal die Ultras gemacht haben und b) alles positive in der Öffentlichkeit kaum erwähnt wird und wenn verblasst es extrem schnell, z.B. mega teure und aufwendige Choreos (ich habe schon beim Aufbau mitgeholfen und kann sagen, dass man vorher nicht ermessen kann, welcher Aufwand da betrieben wird), Spendenaktionen, gemeinnützige Arbeit, Typisierungsaktionen etc.
Ich hoffe ich bin halbwegs verständlich geblieben^^
Zum Schluss aber auch noch ein Lob an Leipzig bzw. die Fanszene: Ich hätte nicht gedacht, dass man sich dort an aktiven Protesten gegen die Verbände beteiligen würde, doch anscheinend will man zum Montags-Spiel in Frankfurt gar nicht erst anreisen.