Setzt die Segel

[Ronin]

Segeln besteht zu 50 Prozent aus Entspannung, zu 45 Prozent aus langer Weile und zu 5 Prozent aus blanker Panik.

Zumindest waren es die Worte eines früheren Ausbilders gewesen, an denen er selten zweifelte. Bisher hatte er den Moment in dem die Mastspitze das Wasser berührt noch nicht erlebt und er hatte ganz sicher nicht vor dies in nächster Zeit nachzuholen. Zu gemütlich saß Christian Sanglier gerade am Bug des kleinen Seegelbootes. Mit eingeholtem Seegel lag es ruhig auf dem Meer und nur seine Gedanken trieben umher. Die einzige Ablenkung bestand in der Flasche as der er einen Schluck trank. Hier war er weit weg von allem das ihn früher quälte, aber nicht weit genug um nicht irgendwann dahin zurückzukommen.

"Warum mache ich überhaupt mit?" ging es Christian Sanglier durch den Kopf. Aber wie immer war es eine Frage mit einer einfachen Antwort. Wegen des Geldes. Man hatte Rechnungen die bezahlt werden mussten, Hunger, Durst und die ein oder andere kleine Freude von der man nicht weg kam. Für Christian Sanglier waren es sein Motorrad und gelegentliche Ausflüge ins nirgendwo, dorthin wo ihm niemand auf die Nerven gehen konnte. Er warf einen geistigen Block auf ein Kalender mit Kreutzen, ein Kalender wie ihn viele Menschen hatten. Für manche stand das Kreutz für die letzte Flasche Bier, die letzte Zigarette, den letzten Hamburger. Dann waren da die Menschen bei denen es für härtere Sachen stand. Drogen konnten hier stehen, für manche der letzte Schnitt auf der eigenen Haut. Für Christian Sanglier hatten die Kreutze mit Gewalt zu tun. Der letzte Schuß aus seiner Dienstwaffe, der letzte ungewollte Fausthieb und das letzte Mal als er die Kontrolle über sich verlor.

"Verdammt sollst du sein, JRA." Der Gedanke an Wut und Gewalt brachte ihn häufig zurück zu Jeffrey Ron Arrow und seiner kurzen Zeit bei der PCWA. Immer wieder hatte Christian Sanglier in seinem Leben Probleme mit Wutausbrüchen gehabt und immer wieder hatte sein Vater versucht ihm einen Weg zu zeigen. Es hatte ihm viel eingebracht. Landesmeister im Boxen, Landesmeister im Ringen, gewonnene Kämpfe im MMA, aber jedesmal kam der Moment an dem das Mittel zur Disziplin in seinem Kopf nicht mehr wirkte und er einen neuen Reitz zur Selbskontrolle finden musste. Selbst die Zeit bei der Marine fand ihr Ende als er spürte, wie er unkonzentriert wurde. Dann kam das Wrestling.

"Wär dieser Drecksack nicht gewesen könnte ich immer noch sorgenfrei meine Lohnchecks abholen," ging es ihm weiter durch den Kopf. JRA hatte in Sanglier eine Sicherung zum durchbrennen gebracht die Folgen hatte. Es führte zu Geealt. Ihre gegenseitigen Überfälle schaukelten sich hoch, bis JRA ein ausgewachsenes Wildschwein in die Kabine eines Freundes von Sanglier brachte.

"Warum findet mich die Gewalt nur immer wieder?" war eine der wichtigen Fragen die er sich danach immer wieder gestellt hatte. Er konnte nicht vor der Gewalt wegrennen, er musste ein weiteres Mal einen Weg finden mit ihr umzugehen. Geld musste verdient werden und das Angebot dafür war gut. Ein Einsatz, plus ein weiterer im Falle eines Finalkampfes gegen die Urban Ultras Berlin. Und das gemietete Boot war der Bonus für die Zusage. Diesmal würde er aber am Rand bleiben. Erst kurz "Hallo" sagen, am Ring auf Plissken aufpassen und dann wieder gehen. So einfach war sein Plan.

"Hoffentlich klappt es diesmal so einfach."

Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm daß es Zeit war aus den Gedanken aufzutauchen. Die Reise war sehr erholsam und schön gewesen. Die Inseln von Fidschi, Samoa und demnächst Tonga. Er war ausser Sichtweite gesegelt für die Ruhe auf dem Wasser, aber nun würde ihn seine Reise direkt in den Hafen von Nuku'alofa führen und von dort aus ins Vakuuho BBQ. Aber wo er nach dem Job landen würde wusste er selbst noch nicht.